Der Ukraine-Krieg und seine Konsequenzen - GLKB
Der Ukraine-Krieg und seine Konsequenzen
Durch die Invasion von Russland in die Ukraine sind quasi über Nacht die Erinnerungen an den kalten Krieg wieder wach geworden. Unabhängig davon, wie sich der Konflikt entwickeln wird, hat sich definitiv eine neue Weltordnung herausgebildet, in der die Demokratien westlicher Länder den Autokratien des chinesisch-russischen Bündnisses gegenüberstehen. Ein neuer kalter Krieg 2.0?
Unsicherheit scheint das zentrale Stichwort der Investoren in dieser neuen Welt zu sein. Die Lage innerhalb der NATO könnte in den nächsten Monaten zunehmend komplizierter werden, da in den USA im November die Mid-Term-Wahlen für den Kongress anstehen, wobei Trump und die Republikaner wieder die Mehrheit erlangen könnten. Trump hat sich oftmals zugunsten von Putin geäussert und ihn als «Genie» bezeichnet. Falls sich die Trump-Ideologie wieder durchsetzen würde, könnte die Unsicherheit an den Finanzmärkten weiter zunehmen. All dies würde auch den internationalen Güterhandel und die Umsätze internationaler Konzerne beschränken. Mängel an Energie- und Agrarprodukten verursachen eine beispiellose Verteuerung der Konsumentenpreise und Lieferengpässe. Bereits sind die ersten negativen Effekte der erhöhten Energiepreise auf andere Konsumentenkategorien zu beobachten. Die Detailhandelsumsätze in den Industrieländern schwächen sich ab. Diese internationale Instabilität hat sich auch an der Börse in Hongkong niedergeschlagen, wobei die chinesischen Aktien aufgrund der durch den Ukraine-Konflikt ausgelösten Unsicherheit Kursverluste verbuchten.
Biden hat die bereits sehr umfangreichen Sanktionen um ein Importverbot von russischem Öl und Gas erweitert. Nur einige Prozent des US-Ölimports kommen aus Russland. Diese Lücke wird durch die US-Erzeugung problemlos geschlossen, allerdings zu höheren Kosten. Im Gegensatz zu den USA kann Europa das russische Rohöl und die Öllieferungen nicht ohne Weiteres ersetzen. Italien und Deutschland haben die grösste Abhängigkeit. Öl und Gas aus Russland für die Wärmeerzeugung, die Mobilität, die Stromversorgung und die Industrie können aktuell nicht anders gesichert werden. Für energieintensive Unternehmen sind gestiegene Kosten bereits jetzt ein Problem, wobei diese Entwicklung am besten in der italienischen Industrie ersichtlich ist. Die Produktion ist insbesondere in der Plastik- und Keramikindustrie markant gesunken. Hohe Gaskosten führen auch zu Produktionseinstellungen im Stahl- und Papierbereich. Benzinpreise steigen europaweit überall an. Der Westen benötigt Energie und Rohstoffe, die von Russland und China kontrolliert werden.
Diese neue Weltordnung dürfte die Finanzmärkte von Morgen beeinflussen
China strebt eine weltweite Monopolstellung bei den Rohstoffen an. Dies bedeutet einerseits eine geopolitische Vormachtstellung, andererseits die Abhängigkeit der westlichen Industrieländer von der chinesischen Energieversorgung. China hat sich durch seine Expansionsstrategie die Kontrolle von vielen Rohstoffen gesichert, darunter Cobalt, Lithium, Öl, Gas und seltene Erde in Afrika und Lateinamerika. Es ist beim gegenwärtigen Status quo offensichtlich, dass China eine Position mit erheblichem Vorteil einnimmt, was den Westen sehr anfällig macht. In der Konsequenz könnte Peking beschliessen, Exporte in konkurrierende Volkswirtschaften zu beschränken, um einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, indem China ihnen grössere Produktionsquoten vorbehält. Letztlich drängt die Zeit und die USA wie auch Europa müssen schnell und effektiv handeln, wenn sie in der Welt von morgen noch wettbewerbsfähig sein wollen. Denn die erwähnten Rohstoffe sind für eine Vielzahl von Branchen existenziell, beispielsweise in der Automobilindustrie für die Herstellung von Elektrobatterien, in der Elektronik-, Militärverteidigungs-, Luft-, und Raumfahrtindustrie. Dies hat Auswirkungen auf die Investitionen. Die chinesischen Aktien und der Yuan (CNY) könnten zulasten von in USD und EUR kotierten Unternehmen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Schon jetzt werden Obligationen in Yuan emittiert. Saudi-Arabien erwägt, den Ölpreis auch in der chinesischen Währung auszudrücken. Warenexporte und Importe werden in Zukunft grösseren Restriktionen unterliegen.
Finanzmärkte und Investitionen müssen sich auf diese Weltordnung neu ausrichten, wobei Geopolitik neben Fundamentaldaten bei Anlageentscheiden eine bis anhin unbekannte Rolle spielt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass geopolitische Risiken zunehmen und sich Anleger damit in den kommenden Jahren vermehrt auseinandersetzen werden müssen. Geopolitische und wirtschaftliche Spannungen führen zu höherer Volatilität und Unsicherheit an den Finanzmärkten. Für Investoren empfiehlt sich die Beimischung von unkorrelierten Anlagen im Portfolio, die die Gesamtvolatilität reduzieren, wobei Gold und andere Real Assets geeignete Instrumente sein dürften. Bei den Aktien sind Value Stocks, Dividendenpapiere und solide Blue Chips zu privilegieren. Die Ukraine-Krise birgt das Risiko, Inflation und Zinsen weiter in die Höhe zu treiben. Vor diesem Hintergrund sind Obligationen sicherer Schuldner mit kürzerer Laufzeit eine optimale Ergänzung. Diese unsicheren Zeiten mit volatilen Märkten heben gleichzeitig die zentrale Bedeutung von Market Timing hervor, um von den starken Marktschwankungen zu profitieren.